In Schönheit gestorben? Von Eurydikes möglicher Selbstbefreiung aus dem Schattenreich
In seiner bisherigen Rezeption erzählt der Mythos von Orpheus und Eurydike von der Bewältigung des eigentlich Unmöglichen: Dem Verlust der geliebten Person, und dem Weiterleben nach dem Verlust. Eurydike wird dem Leben entrissen und in die Unterwelt entführt. Orpheus wandert die Erde ab und betritt schliesslich die Unterwelt, um seine Geliebte wiederzufinden. Nach endloser Suche erkennt er beim Blick zurück, dass sie für immer verloren ist. Der gescheiterte Rettungsversuch erlaubt ihm, den Verlust zu bewältigen, und weiterzuleben. Dieser Mythos und seine bisherige psychoanalytische Aufbereitung endet für die Frau mit dem letzten Blick, den ein Mann auf sie geworfen hat. Ein danach scheint es für sie nicht zu geben. Während Orpheus Eurydikes Verlorensein anerkennen muss und sich von ihr löst, bleibt Eurydike in der Unterwelt zurück. Für sie bleibt nur ein Ende ohne Bewältigung, und ohne Weitergehen. Durch meine Fokusverlagerung von Orpheus zu Eurydike als Subjekt des Mythos soll überlegt werden, ob Eurydikes Verlorengehen nicht alleine für den Tod, sondern auch für ein inneres Schattenreich stehen könnte. Anhand verschiedener psychoanalytisch-feministischer Überlegungen zur Figur der jung gestorbenen Frau möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht auch Eurydike einen ganz anderen Weg, als den uns bisher bekannten, gegangen sein könnte. Kann dieser andere Weg Eurydike möglicherweise aus der Unterwelt/dem inneren Schattenreich befreien?