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Schwerpunkt

Geduld und Ungeduld. Komplementäre Haltungen in der (zeitbegrenzten) institutionellen psychoanalytischen Psychotherapie

Daniel Sollberger

Die stationäre wie auch teilstationäre Psychotherapie steht unter dem Verdikt der Zeitbegrenzung. Eine klassische Voraussetzung für psychoanalytische Therapien, wie sie in der Grundregel der freien Assoziation zum Ausdruck kommt, ist die frei gestaltbare Zeit. Konsequenz dieser Zeitbegrenzung ist die Fokussierung, das heisst die Selektion und damit Einschränkung der freien Assoziation. Dies wurde mit der Entwicklung von psychodynamischen Fokal- und Kurztherapien breit diskutiert. Dennoch halten psychoanalytische Verfahren daran fest, das Material der Bearbeitung zum einen im Hier und Jetzt entstehen zu lassen, was auf Seite der Patienten der Methode der freien Assoziation entspricht. Zum andern soll eine Fokussierung auf die Subjektivität der Patienten erfolgen, der auf Seiten der Therapeuten die gleichschwebende Aufmerksamkeit entspricht. Hier eröffnet sich ein Konflikt, der sich in der psychotherapeutischen Haltung manifestiert, wenn es darum geht, Therapieprozessen im Längsverlauf mit Geduld zu begegnen, umgekehrt aber in den Einzelsitzungen durchaus die Ungeduld in der Gegenübertragung zu reflektieren. Sie soll nutzbar gemacht werden, um der Tendenz von Therapeut und Patient entgegenzutreten, aufgrund einer rationalen und bewussten Fokussierung aggressive, selbstdestruktive, ein Leben ausserhalb der Therapie sabotierende Verhaltensweisen als Thema zu vermeiden oder gar zu ignorieren. Beispielhaft wird die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP) als Modifikation psychoanalytischer Psychotherapie und Möglichkeit institutionellen Arbeitens in ihrem Bestreben dargestellt, dem Paradox von gleichschwebender Aufmerksamkeit in der Hier-und-Jetzt-Situation der Therapie und der besonderen Aufmerksamkeit auf die wesentlichen äusseren Bereiche des Lebens von Patienten zu begegnen.